Das Jahr der Bevölkerung

1974 wurde zum Jahr der Bevölkerung erklärt. Für August war in Bukarest die „Weltkonferenz für Bevölkerung“ einberufen worden, erfährt man aus der KR Nr. 9 vom 1. März 1974. Erörtert sollten dabei „die drei zeitgenössischen Kardinalfragen menschlichen Daseins“ werden. Als solche galten: Bevölkerungszunahme, Entwicklung und Umweltschutz. Die KR übernimmt aus diesem Anlass einige in der „Era socialistă“ veröffentlichte statistische Daten mit den dazu gehörenden Einschätzungen in einem Bericht, der den Titel „Die Stadt aufs Land getragen“ erhalten hat. Dieser Titel will in Anlehnung an die 84 neuen Städte betrachtet werden, wobei damals, wie auch in den darauffolgenden Jahren, eigentlich von einer „Landflucht“ der Bevölkerung in die Städte gesprochen werden sollte. Die KR vergisst nicht, durch zwei große blaue Vignetten, links und rechts des Titel gesetzt, hinzuweisen, dass 1974 im Zeichen zweier Jubiläen gestellt war: 30 Jahre seit dem 23. August 1944 („Befreiungstag“) und, im November, der XI. Parteitag der Rumänischen Kommunistischen Partei. Im Beitrag werden einige Daten und Fakten gesondert hervorgehoben, wie sie vor 50 Jahren ermittelt wurden: „ Die Hälfte der Landesbevölkerung – unter 35 Jahren; Durchschnittliche Lebenserwartung: 69 Jahre; Die Banater leben am längsten; 84 neue Städte auf der Landkarte; Rund 60 Prozent der aktiven Bevölkerung in nichtlandwirtschaftlichen Sektoren; 1990: insgesamt 11 Millionen Lohnempfänger“.

Um Bevölkerung handelt auch ein Beitrag zur siebenbürgisch-sächsischen Siedlungsgeschichte des Historikers Thomas Nägler in der KR Nr. 14 vom 5. April. Es geht um die Deutung des Begriffes „desertum“ der, wie der Verfasser bemerkt, nicht nur „leer, öde, unbewohnt u.a. sondern auch verlassen“ bedeutet. Während andere Historiker (z.B. Ștefan Pascu) der Meinung sind, dass Mitte des 12. Jahrhunderts die südlichen Gebiete Siebenbürgens von den Rumänen dünn besiedelt waren (wegen äußeren Umständen mussten sie sich in Wälder und geborgene Täler zurückziehen), sodass in den Urkunden von „terra deserta“ die Rede ist, deutet Nägler diese Bezeichnung im Sinn von „verlassen“ und zwar nicht von den Rumänen, sondern von den Szeklern, die auf Geheiß von Geysa II. in Richtung Südosten abziehen sollten. Seine Schlussfolgerung: „Der Terminus ‚terra deserta‘, ‚vacua et inhabitata‘ u.dgl. stammt ursprünglich aus der Königskanzlei, die über die Zustände der Besiedlung gewiss weitgehend informiert war. Es lag sicher in der Absicht dieser Kanzlei, das Gebiet den Sachsen ‚leer‘, d.h. von Szeklern verlassen zu übergeben, und dieser Wunsch geht schließlich auf den Charakter der sächsischen Ansiedlung zurück.“

Die „Karpatenrundschau“ würdigt das Lebenswerk zweier bedeutender Kronstädter Musiker mit größeren Beiträgen: „Aus Rudolf Lassels Leben und Wirken“ von Christian Thal  (erster Teil: „Vielseitig: als Musikerzieher und Tonsetzer – KR 12; zweiter Teil „Wege zur Volkstümlichkeit – KR 13). Paul Richter sind vier Folgen gewidmet die den Untertitel „Paul Richters Schaffen und Vermächtnis“ haben und von Hanspeter Türk verfasst sind. Es handelt sich um „Grundsteine einer Ausbildung“ (KR 15),  „Fruchtbares Wirken und Schöpfen in der Heimat“ (KR 16), „Von Enescu Wertschätzung erfahren“ (KR 17) und „Werke der Reife“ (KR 19). In der KR Nr. 10 schreibt Joachim Wittstock über „Siebenbürgen war ihm ein Gleichnis. Erwin Wittstocks Bindungen an Kronstadt“ – die Stadt, in der der Schriftsteller seine letzten 15 Jahren verbracht hatte.

Hervorgehoben wird in der Kronstädter Wochenschrift selbstverständlich auch das Wirken von Zeitgenossen aus den Reihen der deutschen Minderheit. Angeführt seien hier nur drei von mehreren Beispielen: ein Kurzporträt des Tartlauer Bürgermeisters Michael Trein („Den Misch kennt jeder, kreuz und quer in all den Gassen. Man grüßt ihn, wie man Freunde grüßt“, heißt es abschließend in dem Beitrag von E.N. Petri); die Vorstellung eines hochbegabten Instrumentalisten „Verblüffender Sologang einer Bassgeige: Wolfgang Güttler“ verfasst von demselben E.N. Petri (beide in der KR 11nachzulesen) und ein Bericht über die wichtige Restaurationsarbeit von Era Nussbächer („Prunkvolle Gewänder und orientalische Teppiche. Restauration von Textilkunstschätzen der Schwarzen Kirche“ von Dr. Michael Kroner, erschienen in der KR Nr. 13, Seite 11). Restaurierungsarbeiten waren auch für den Weißen Turm geplant. Darüber berichtet Architekt Günther Schuller, der mit der Leitung dieser Arbeiten beauftragt wurde (KR 16). In einer Fußnote heißt es, dass Architekt Schuller Fotoaufnahmen des Turms von Ende des 19. Jahrhunderts gut gebrauchen könnte, denn: „Nach modernen Wiederherstellungsvorschriften restauriert man nur solche Elemente, deren ursprüngliche Form bekannt ist. Jede Art von Phantasie-Pseudorestaurierung ist nicht gestattet.“ Fünf Jahrzehnte später will man nicht mehr so „modern“ sein, weil z.B. die Burgen in Reps und Marienburg heute als Nachbauten und nicht als Restaurierungen bezeichnet werden müssen.

Nicht zu übersehen, allein schon durch Großfotos auf der Titelseite und den seitenlangen Abdruck der Reden, zwei Veranstaltungen, die den damaligen Staatschef ins Rampenlicht setzen: „Genosse Nicolae Ceau{escu zum Präsidenten der Sozialistischen Republik Rumänien gewählt“ (KR 13 vom 29. März) und „Genosse Nicolae Ceaușescu bei den Räten der Werktätigen ungarischer und deutscher Nationalität“ (KR 15 vom 12. April 1974).